Workshop 7: Ansätze für eine affirmative therapeutische Arbeit mit Trans*Personen und Ihren Angehörigen – Vortrag mit anschließender Diskussion

In der Psychotherapie haben gendernonkonforme, genderqueere und transgeschlechtliche – kurz trans*Behandlungssuchende – aufgrund ihrer gesellschaftlichen Positionierung, spezifische Versorgungsbedürfnisse. Damit erfordert die psychotherapeutische Begleitung dieser Menschen ein Wissen hinsichtlich rechtlicher, psychosozialer und medizinischer Umgangsweisen mit dem Thema, Selbstreflexion der Psychotherapeut*innen hinsichtlich der Bedeutung von Geschlecht und Möglichkeiten der Geschlechtspräsentation, sowie eine therapeutische Beziehungsgestaltung, in der die Psychotherapeut*innen bereit sind, sich auf Unsicherheiten einzulassen und scheinbare Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen oder in Frage stellen zu lassen. In diesem Vortrag möchte Mari Günther auf die aktuellen Veränderungen des medizinischen und rechtlichen Umgangs hinweisen, sich zur Bedeutung und Tragweite von Selbstreflexion in einer therapeutischen Position äußern und Anregungen für die therapeutische Beziehungsgestaltung geben.

Psychotherapeutisch sowie systemisch therapeutisch und beraterisch tätige Kolleg*innen können Anregungen für die eigene Arbeit gewinnen. Therapiesuchende können ein selbstbewusstes Formulieren ihrer therapeutischer Bedarfe reflektieren. Insgesamt soll zu einer Beziehungsgestaltung in therapeutischen Prozessen eingeladen werden, die von gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Gestaltungsprozessen geprägt ist.

Mittagspause

Zudem befinden sich Infostände von verschiedenen Vereinen auf dem 1. Obergeschoss des Veranstaltungsgebäudes 40 bei den Workshopräumen.

Workshop 6: Inter* als soziale Kategorie: Zur Notwendigkeit der Reflexion konkreter körperlicher Materie für eine fleshier queer theory.

Dr.in Anja Gregor wird den Verlauf und die Ergebnisse der Biographieforschung mit inter* Menschen vor- und zur Diskussion stellen, die im Rahmen Anja Gregors Dissertation („Constructing Intersex. Intergeschlechtlichkeit als soziale Kategorie) durchgeführt wurde. Anja Gregor hat nach einer Freigabe der Interviews durch die Befragten im Verlaufe der Forschung wiederholt Rückmeldungen zur Interpretation des Materials aus inter* Perspektive eingeholt. Diese Forschung versteht sich damit nicht nur als Beitrag zu einem ‚medizinkritischen Gegendiskurs‘ (Zehnder 2010), sondern wurde als solidarische Forschung (Mecheril) mit dem Anspruch durchgeführt, das Material nicht wiederum ‚auf dem sterilen Seziertisch der Sozialforschung‘ auszuwerten, sondern die Ergebnisse im Dialog mit dem beforschten Feld zu überprüfen.

Inter* wird, entlang der Interviews als untrennbar mit der Entwicklung und Wahrnehmung des eigenen Körpers verbunden, rekonstruiert. Die Auswirkungen der medizinischen Zurichtung von Körpern entlang geltender Geschlechternormen weisen über die rein sprachliche Ebene hinaus und machen den versehrten Körper als Produkt vergeschlechtlichter Normen sicht- und spürbar. Schmerzen, Angst, Sprachlosigkeit und die traumatisierende Dimension des Erlebten bahnen sich ihren Weg in die Erzählung, ohne wortwörtlich erzählbar zu sein.

Die Interviews dokumentieren aber nicht nur die Enteignung des inter* Körpers im Zuge medizinischer Zugriffe und Zurichtungen, sie weisen insbesondere Möglichkeiten der Emanzipation und Wiederaneignung der Selbstbestimmung aus. Anja Gregor hat deshalb am Material entlang ein Modell der inter* Emanzipation von medizinischer Kontrolle und Disziplinierung entworfen, das nach der Erläuterung des Vorgehens und des Verlaufs der Studie zur Diskussion gestellt wird. Zudem wird aus wissenschaftskritischer Perspektive für die Notwendigkeit der theoretischen Reflexion des Körpers argumentiert, um so mit einer ‚fleshier queer theory‘ Inter* in seiner Eigenschaft als sozial äußerst relevante Kategorie gerecht zu werden.

Workshop 5: transsexuell gegen trans* – warum gibt es in der Trans-Szene so viel Streit?

Wer länger in der deutschsprachigen Trans-Szene unterwegs ist, hat sicher schon erlebt, dass immer mal unvermittelt ein Streit über bestimmte Begriffe oder Formulierungen ausbricht. Die Referent*in möchte im Vortrag vor allem die zwei Strömungen „transsexuell“ und „trans*“ beschreiben und anhand von Beispielen die Unterschiede in den Narrativen und Selbstkonzepten der beiden Begriffe herauszuarbeiten.

Anschließend soll hypothesenartig vorgestellt werden, wodurch diese Unterschiede entstehen und welche politischen Strategien sie bedienen, um in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen Akzeptanz zu erreichen.

In der Diskussion wird gemeinsam überlegt, wie dieser Ansatz genutzt werden kann, um existierende Konflikte in aktivistischen Kontexten zu verstehen und wie weitergedacht trotz vorhandener Unterschiede eine schlagkräftige politische Arbeit möglich sein kann.

Darüber hinaus können auch gern weitere Überlegungen angestellt werden, wie sich dieser Konflikt in anderssprachigen Trans*-Bewegungen zeigt und sich dort möglicherweise Unterschiede oder Parallelen finden lassen.

Workshop 4: Berichte aus der Trans*Beratungspraxis

Der Vortrag gibt anonymisiert Einblicke in den Alltag und in die Herausforderungen der Trans*Beratung im Dreieck Bremen – Hamburg – Berlin. Was sind typische Beratungsanfragen und wer sind die Ratsuchenden? Oft ist die Beratungsstelle für sie die erste offizielle Anlaufstation auf ihrem Weg: wie und wo geht es aktuell danach weiter und was braucht es darüber hinaus?

Die Trans*Recht-Beratung in Bremen gibt es seit dem Jahr 2013, als bislang deutschlandweit einziges kostenfreies, kombiniertes Angebot von Peerberatung und Rechtsberatung. Was sind typische Anfragen und Bedarfe und was sind konkrete Empowermentansätze in der psychosozialen und Rechts-Beratung?

Qualität in der Beratungspraxis ist unabdingbar: Wie kann Kooperation zwischen mehreren Beratungsstellen und (überregionale) Qualitätsicherung in der Trans*Beratungspraxis gelingen? Worin liegen die Stärken einer intensiven Vernetzung?

Workshop 3: Sexuelle Grenzverletzungen – (k)ein Thema im Kontext mit Intersexualität und Transsexualität?

Zwischen den Themenkomplexen sexueller Grenzverletzung einerseits und Intersexualität und Transsexualität andererseits wurden Parallelen und Überschneidungen bislang vorwiegend aus aktivistischen Kontexten ausgeklammert und selten thematisiert, zudem die Zahl akademischer Zugänge bislang recht übersichtlich ausfällt, zumindest im deutschen Sprachraum.

Auch wenn nur wenige Menschen von Intersexualität oder von Transsexualität betroffen sind, zeigen bisherige Veröffentlichungen und Schilderungen von Patienten, dass diese Personen ein deutlich höheres Risiko aufweisen, sexuelle Grenzverletzungen zu erleiden, als von der Gesamtbevölkerung anzunehmen ist. In Hinblick auf Menschenrechte und Minderheitenschutz ist es geboten – bislang aber selten erfolgt – diese Personengruppen mit zu berücksichtigen. Dies geschieht ebenso durch Fachkräfte, die bislang noch nicht mit solchen Personen betraut waren – oder einfach dieser Menschen noch nicht gewahr wurden.

Die Parallelen zwischen medizinischen und psychotherapeutischen Behandlungsprogrammen früherer Jahrzehnte und ritualisierten Formen sexualisierten Missbrauchs sind erheblich, geradezu frappierend. Hinzu kommt der Umstand, daß die Betroffenen dadurch ein höheres Risiko für sexuelle Grenzverletzungen außerhalb der sanktionierten medizinisch-psychologischen Räume aufweisen. Letztlich scheuen sich die doppelt Betroffenen mehr als andere Menschen, nach Hilfe zu suchen, zumal auch Vereine und Beratungsstellen hinsichtlich sexualisierten Missbrauchs den Betroffenen oft nur beschränkte oder kompromisshafte Hilfsangebote anbieten. Summa summarum soll für mehr wechselseitiges Verständnis durch Austausch geworben und hierauf aufbauende Empfehlungen formuliert werden.

Workshop 2: Umgang mit transsexuellen Menschen in der Pflege

In der Pflege hat sich trotz aller Veränderungen in der Gesellschaft immer noch kein unvoreingenommener Umgang mit Geschlecht (und Sexualität) entwickelt. Trotz eines hohen Anspruchs an eine „ganzheitliche Versorgung“ der Patient*innen, ist nicht klar, was das an,sich beinhaltet. Pflegekräfte sollen kompetent sein und sich in andere Menschen einfühlen können. Sie sollen die Wünsche der Patient*innen erfüllen und den Anforderungen der Ärzteschaft und anderer Berufsgruppen gerecht werden.

Das Modell der Lebensaktivitäten (LA) hat sich als grundlegendes Arbeitsinstrument in der Pflege in verschiedenen Varianten etabliert. Unter diesen ist die LA „Seine Geschlechtlichkeit leben“ bei Roper, Tiemey und Logan zu finden, unter der sich auch ein kurzer Erklärungsansatz zu Transsexualität findet. Einen Ansatz zum Umgang mit transsexuellen Menschen in der ambulanten oder klinischen Versorgung, zur Lebenssituation oder zu Transitionsphasen fehlen vollständig. Pflegende lernen während ihrer Ausbildung entweder nichts zu diesem Thema oder sind nur am Rande davon berührt. Dementsprechend stellt sich die Situation von transsexuellen Menschen dar, die einer ambulanten oder stationären Behandlung bedürfen. Neben den elektiven Eingriffen ist hier die Notfallversorgung von besonderer Bedeutung und muss dringend in den Fokus von der Pflege (und auch der Medizin) gerückt werden, weil immer mehr transsexuelle Menschen frei leben, seitdem das Bundesverfassungsgericht 2011 das biologische Geschlecht vom juristischen getrennt hat.

In diesem Beitrag wird anhand von eigenem und fremden Erleben die Situation von transsexuellen Menschen bei der geplanten und Notfallbehandlung dargestellt und auf den dringend notwendigen Reformbedarf in der Ausbildung, als auch in der Fortbildung von Pflegekräften hingewiesen.

Workshop 1: Erkenntnisse aus Studien zur Situation transidenter Kinder und Jugendlicher und wie die Landeshauptstadt Magdeburg damit umgeht

Im Jahr 2014 veröffentlichte das KgKJH unter dem Titel „unsicher.klar.selbstbestimmt“ die Erkenntnisse einer Studie, die die Lebenssituation transidenter Kinder und Jugendlicher in Sachsen-Anhalt qualitativ erforschte. Durch die Landeshauptstadt Magdeburg beauftragt, erfolgte anschließend (Frühsommer 2015) durch das KgKJH eine mehrmonatige schriftliche Befragung von Eltern und Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe, in der es um Einstellungen, vorhandenes Wissen und die subjektive Einschätzung der Situation von lesbischen, schwulen und transidenten Kindern und Jugendlichen ging.

Dr.in Kerstin Schumann und Judith Linde-Kleiner werden die Erkenntnisse beider Studien und die daraus abgeleiteten Handlungsstrategien der Landeshauptstadt vorstellen und diskutieren.

Der Beitrag gliedert sich in fünf Teile:

1. Kurzvorstellung des KgKJH als landesweit agierende Genderfachstelle (Schumann)
2. Darstellung einiger Erkenntnisse der Studie „unsicher.klar.selbstbestimmt“ (Linde-Kleiner)
3. Präsentation ausgewählter Ergebnisse der Fachkräfte- und Elternbefragung in der Landeshauptstadt Magdeburg (Schumann)
4. Vorstellung der Aktivitäten der Stadt (Linde-Kleiner)
5. Diskussion

Geschlecht im Recht. Was gibt das Bundesverfassungsgericht vor?

Mit seinem Beschluss vom 10. Oktober 2017, dass das Personenstandsrecht neben „männlich“ und „weiblich“ einen weiteren, positiven Geschlechtseintrag zulassen oder die rechtliche Registrierung von Geschlecht ganz abgeschafft werden muss, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts dem im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie dem Diskriminierungsverbot stattgegeben. Die bis Ende des Jahres anstehende Gesetzesänderung erfordert durch ihre gesamtgesellschaftliche Brisanz ein adäquates Umdenken und entsprechendes Handeln in den gesellschaftlichen Bereichen, die momentan heterosexuell und zweigeschlechtlich bestimmt sind.